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Clifford Holmead Phillips

Der 23-jährige Amerikaner Clifford Holmead Phillips verkauft 1912 sein Automobil, ein Geschenk seines Vaters. Vom Erlös bucht er seine erste Schiffspassage nach Europa, und dort entdeckt er die Kunst der Alten Meister. Er beschließt, Maler zu werden und entscheidet sich für den autodidaktischen Weg. Systematisch erarbeitet er sich sein wachsendes Können zunächst über die Zeichnung.

Am Anfang seiner Ölmalerei stehen akribisch gemalte Werke im naturgetreuen Stil der amerikanischen „Hudson River School“, gefolgt von der zarten, impressionistisch geprägten Landschaftsmalerei, die in den Künstlerkolonien an der amerikanischen Ostküste entsteht. Immer wieder überquert er den Atlantik, lebt oft monatelang in unterschiedlichen europäischen Städten und kehrt stets inspiriert zurück. Seine Kunst erfährt einen fundamentalen Wandel, als ihn die idyllische Landschaft nicht länger interessiert, sondern die befremdliche Realität der Städte dies- und jenseits des Atlantiks.

In den 20er Jahren bis 1940 feiert er internationale Erfolge und stellt in bedeutenden Galerien und Museen auf beiden Kontinenten aus. Der Bruch kommt mit dem Kriegsbeginn, den er in Norwegen erlebt. Im April 1940 beginnt er seine Odyssee zurück nach Amerika, wo er im Juli 1941 ankommt. Er verkürzt seinen Namen auf „Holmead“ und bleibt 16 Jahre in seiner Heimat, in der gerade der ‚Abstrakte Expressionismus‘ gefeiert wird. Holmead lehnt die neue amerikanische Kunstrichtung ab. Zwar verfügt er über die gleichen Mittel und Möglichkeiten wie ein Jackson Pollock oder Marc Rothko und wird später ebenso spontan und pastos malen wie diese, aber der Abstraktion verweigert er sich sein Leben lang. Seine Malerei ist zunächst noch einige Jahre vom tragischen Weltgeschehen geprägt, das in Europa seinen Anfang nahm: Ihn beschäftigt das Drama der Menschheit.

1956 kehrt er endgültig nach Brüssel zurück, findet jedoch seine früheren Kontakte nicht mehr wieder. Mit 65 Jahren beginnt er noch einmal neu und entwickelt seinen eigenwilligen, ungezähmten Stil, der anfangs noch Einflüsse des europäischen Expressionismus zeigt. Er selbst nennt ihn „Crude Expressionism“, rau, schnörkellos und heftig, und damit sprengt er kraftvoll und dramatisch die Grenzen des Expressionismus. Mehr und mehr fasziniert ihn die elementare, zeitlose Dramatik der Natur, und mit dem Spachtel trägt er die Farben pastos auf und hinterlässt oft so tiefe Spuren darin, dass einige seiner Bilder wie Reliefs wirken. Das Gegenständliche jedoch verlieren sie nicht.
Als fast 80-Jähriger findet er zu seinem einzigartigen, furiosen Spätwerk, dem „Shorthand Painting“. In diesen stenografischen Momentaufnahmen vereinen sich künstlerische Übung, Beobachtungsgabe, Spontaneität und Reife mit großer Lebenserfahrung. Unter Holmeads schnellem, sicherem Spachtel entstehen in einer reduzierten Formensprache zahlreiche ausdrucksstarke Bilder von Gebäuden, Städten oder einer wilden Natur. Sein besonderes Interesse gilt Menschen, deren Physiognomien ihn im Vorübergehen fasziniert haben. Er skizziert sie mit Bleistift und wenigen, schnellen Strichen, ehe er ihre Köpfe in Öl malt. In diesen Porträts geht es ihm jedoch nicht um Abbilder, sondern darum, die besonderen Charaktereigenschaften zum Ausdruck zu bringen, die er in den Personen erkannt hat. Dabei lassen sich menschliche Schwächen wie Borniertheit, Eigensinn, Gier, Egoismus oder Versagen erkennen, aber auch Freude und Lebenslust, Resignation, Leid und Verzweiflung, Besonnenheit und Weisheit.
In exemplarischer Deutlichkeit sieht man in Holmeads Spätwerk jenes Wunder, das große Kunst ausmacht: Aus ein paar Pigmenten, einem Bindemittel und scheinbar zufällig wirkenden Malbewegungen auf einer ebenen Fläche entsteht ein lebendiges Bild der Wirklichkeit mit präzisen Formen, Licht- und Schattenspielen.

„Mit Beharrlichkeit habe ich eine Methode der Reduktion entwickelt, um besonders das menschliche Antlitz zu einem Höchstmaß an Ausdruck bei einem Mindestmaß an Aufwand zu bringen. Ein Paar Striche mit meinem breiten Spachtel genügen. Es sieht einfach aus, hat aber allerhand Geduld und Mühe gekostet.“

Nach seinem Tode kommt es erneut zur Wertschätzung seines künstlerischen Schaffens. Zahlreiche Ausstellungen wecken die Aufmerksamkeit u.a. des Fachpublikums und der Medien. „Durch aktuelle Präsentationen in der Kunsthalle Schweinfurt, der Kunsthalle Von der Heydt und im Buchheim Museum wird Holmead derzeit euphorisch neu entdeckt“. („art“ Kunstmagazin)

Der künstlerische Nachlass und umfangreiche Dokumente, Kataloge, Korrespondenzen und Pressekommentare dienen als Basis für den biografischen Roman „Maler im Anzug – Der transatlantische Holmead“ von Birgit Voller (Privat-Edition 2017). Er ist zu bestellen über groscurth@arsvivendi-salonkultur.de.